Zwei Seiten der deutschen Geschichte: Zweitägiger Aufenthalt in Weimar
11.03.2015
Die drei Deutsch Leistungskurse der Q1 besichtigten gemeinsam mit ihren Lehrkräften Frau Körner-Weinert, Herrn Raffelt und Herrn Dr. Muny die Stadt Weimar am 6. und 7. März 2015 und erlebten zwei interessante Seiten der deutschen Geschichte.
Wir besuchten das berühmte Schiller-Haus, in dem Friedrich Schiller mit seiner Familie lebte. Ein wenig beängstigend und fremd schien uns dieser geführte Rundgang durch das Wohnhaus, da wir tiefe Einblicke in die Privaträume Schillers und dessen Leben bekamen; nun war er nicht bloß ein bedeutsamer Schriftsteller, uns wurde sein Privatleben offenbart und für uns real und menschlich gemacht.
Auch Johann Wolfgang von Goethe war nicht mehr so entfernt von uns und schien uns nicht mehr so weit weg und fremd, auch sein Wohnhaus besichtigten wir, diesmal aber mithilfe von Audio-Guides, die es uns ermöglichten, das Haus selbstständig zu besichtigen. Das Goethe-Haus war noch viel beeindruckender und imponierender als das Schiller-Haus. Es glich einem Museum: Es war voll von antiken Gipsabgüssen, Gemälden, Portraits, Zeichnungen, Büchern, Sammlungen von Steinen und vielen anderen Gegenständen. Wir besichtigten Goethes Schlafräume, seine riesigen Salons und Esszimmer, seinen Arbeitsraum, welcher noch genau so eingerichtet war wie am Tag seines Todes, seine Ausstellungsräume und sahen auch seinen riesigen Garten im Hinterhof. Wir sahen, wie Schiller und Goethe lebten: Das zeigte uns, was sie für Menschen waren, und machte uns bewusst, dass es reale Persönlichkeiten waren, die man auch außerhalb des festen Unterrichts kennenlernen konnte.
Nach einer Mittagspause begann eine separate Stadtführung, die von einigen Schülern in Form von Referaten über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt Weimar vorbereitet wurde. Wir besichtigten u.a. das Stadtschloss, das Nationaltheater und das berühmte Denkmal, das an Goethe und Schiller als bedeutende deutsche Dichter und Denker erinnert, wir lernten etwas über Johann Gottfried Herder und die nach ihm benannte Herder-Kirche im Zentrum der Stadt.
Danach trafen sich alle Kurse wieder zusammen, damit wir gemeinsam zu der Jugendbildungsstätte gehen konnten, in der wir dann eine Nacht verbrachten. Abends nutzten wir die freie Zeit, um die Stadt für uns zu entdecken oder einen lustigen Abend miteinander in der Jugendherberge zu verbringen.
Die Stadt Weimar wirkte auf uns als eine Stadt, in der Bildung, deutsche Kultur und Literatur ihren Schwerpunkt hatten, und uns wurde bewusst, dass dies ein Ort der Kreativität und Förderung war. Viele Studenten, Cafés, Restaurants und Buchhandlungen bestätigten diesen Eindruck von diesem Kulturzentrum, das die geballte deutsche Literatur- und Kunstgeschichte in sich trug. Wir spürten einen gesunden Nationalstolz auf die deutsche Kultur, „d[em] Land der Dichter und Denker.“
Am nächsten Tag lernten wir eine andere Seite der deutschen Geschichte kennen, die „Schattenseite“: Gemeinsam besuchten wir das Konzentrationslager Buchenwald, nicht weit entfernt vom Stadtzentrum. Kurz zuvor besichtigten wir das Mahnmal für die Opfer des Faschismus. Und hier bemerkten wir schon, wie sich unser Gemütszustand veränderte: Zuvor hatten wir noch laut gelacht, zu Musik getanzt und gesungen, viel geredet. Doch je näher wir dem Konzentrationslager kamen, umso leiser, ruhiger und respektvoller wurden wir. Wir wurden sehr still.
Ein einführender Dokumentarfilm und ein informativer Rundgang über das gesamte Gelände des Lagers versetzten uns in schwere Betroffenheit, Traurigkeit und Wut über die Geschehnisse zu dieser dunklen und menschenverachtenden Zeit. Einige Schüler zeigten ihre Ergriffenheit und ihr Mitgefühl durch Tränen, andere legten symbolisch kleine Steine auf ein Denkmal für die Opfer aus verschiedenen Nationen, die im Lager inhaftiert waren. Je mehr wir über das Leben im Lager hörten, je mehr wir sahen und verstanden, je mehr wir versuchten, uns diese Erlebnisse vorzustellen, je stärker wir damit konfrontiert wurden, desto stiller wurden wir.
Anfangs tauschte man sich über die Themen aus, man stellte Fragen. Je mehr wir uns damit beschäftigten, desto stärker und ergreifender wurden die Gefühle. Es fand nun ein innerlicher Prozess statt; wir versuchten, dieses Konzentrationslager für uns selbst zu erleben, zu erfahren; wir fühlten diesen Schmerz und dieses Leid, und uns wurde bewusst, dass einfache Menschen zu solchen Gräueltaten fähig sind.
In nur zwei Tagen in Weimar lernten wir die deutsche Geschichte kennen: die stolze, kreative und kultivierte Seite und die dunkle, schreckliche Seite, die bis heute viel Gutes überschattet. Doch die anschließenden Gespräche mit Lehrern und Schülern lockerten die trübe Stimmung wieder auf und wir verließen Weimar mit vielen neuen Ideen, Gedanken und Gefühlen.
Verfasst von Antonia Skiba, Stufe Q1 (unter Vorarbeit von Tabea Boos und Karen Bröhan sowie mit Fotos von Lisa Schwab)